Anfrage: Zahlen, Daten und Fakten zu Angriffen auf queere Menschen und Übersicht über Präventionsmaßnahmen, speziell zu Spandau
Fragen: Sebahat Atli und Wiebke Neumann
Antworten: Senatsverwaltung für Inneres und Sport
20. März 2024
1. Welche Straftaten politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK) sind, bezogen auf „Geschlecht/sexuelle Identität“, „geschlechtsbezogene Diversität“ und/oder „Sexuelle Orientierung“ von 2019 bis 2024 für den Bezirk Spandau statistisch erfasst worden?
Grundlage für die Beantwortung der Anfrage bildet der „Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität“ (KPMD-PMK). Dabei handelt es sich, anders als bei der „Polizeilichen Kriminalstatistik“ (PKS), um eine Eingangsstatistik. Das bedeutet, der Fall wird sofort gezählt, wenn er bekannt wurde und nicht erst nach Abschluss der Ermittlungen. Die Fallzählung erfolgt tatzeitbezogen, unabhängig davon, wann das Ermittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurde.
Die folgenden statistischen Angaben stellen keine Einzelstraftaten der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) dar. Bei der Darstellung handelt es sich um Fallzahlen.
Ein Fall bezeichnet jeweils einen Lebenssachverhalt in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit identischer oder ähnlicher Motivlage, unabhängig von der Zahl der Tatverdächtigen, Tathandlungen, Anzahl der verletzten Rechtsnormen oder der eingeleiteten Ermittlungsverfahren.
Die Fälle der PMK unterliegen bis zum Abschluss der Ermittlungen – gegebenenfalls bis zum rechtskräftigen Gerichtsurteil – einer fortlaufenden Bewertung gemäß der angenommenen Tatmotivation. Neuere Erkenntnisse können demgemäß zu einer Aktualisierung oder zu Änderungen führen. Darüber hinaus können Fälle der PMK auch erst nach dem Statistikschluss bekannt und entsprechend gezählt werden. Deshalb kommt es sowohl unter- als auch überjährig immer wieder zu Fallzahlenänderungen.
Es werden nur die Fälle gezählt, die gemäß den bundesweit verbindlichen Richtlinien für den KPMD-PMK für Berlin statistisch zu zählen sind. Liegt der Tatort in einem anderen Bundesland, wird der Fall dort statistisch gezählt.
Um die Fallzahlen übersichtlich und in Teilbereichen vergleichbar darzustellen, erfolgt die Unterteilung in die Deliktsarten Terrorismus, Gewaltdelikte, Propagandadelikte und sonstige Delikte.
Terrorismus ist über die Strafbarkeit der Bildung einer terroristischen Vereinigung gemäß §§ 129a, 129b Strafgesetzbuch (StGB) gesetzlich bestimmt. Als Terrorismus werden darüber hinaus schwerwiegende Politisch motivierte Gewaltdelikte (Katalogtaten des § 129a StGB) sowie Verstöße gegen §§ 89a, 89b, 89c und 91 StGB erfasst.
Gewaltdelikte sind Tötungsdelikte, Körperverletzungen, Brand- und Sprengstoffdelikte, Landfriedensbrüche, Gefährliche Eingriffe in den Schiffs-, Luft-, Bahn- und Straßenverkehr, Freiheitsberaubungen, Raubstraftaten, Erpressungen und Widerstands- sowie Sexualdelikte einschließlich der Versuche.
Propagandadelikte sind Verstöße gegen § 86 StGB (Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger und terroristischer Organisationen) und gegen § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen).
Die sonstigen Delikte beinhalten alle weiteren Straftaten des Strafgesetzbuches sowie der Strafrechtsnebengesetze, zum Beispiel Beleidigung gemäß § 185 StGB oder Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB.
Um das Motiv eines Falles auswertbar darzustellen, werden diesem bundeseinheitlich verbindliche Themenfelder zugeordnet, die sich in Oberthemenfelder und Unterthemenfelder unterteilen. So ist zum Beispiel „sexuelle Orientierung“ ein Unterthemenfeld des Oberthemenfeldes „Hasskriminalität“.
Um das Motiv detailliert darzustellen, können einem Fall mehrere Ober- beziehungsweise Unterthemenfelder zugeordnet werden. So kann ein Fall bspw. sowohl dem Unterthemenfeld „sexuelle Orientierung“ als auch dem Unterthemenfeld „geschlechterbezogene Diversität“ zugeordnet werden. Aus diesem Grund wird ein Fall bei der Auswertung nach Ober- und Unterthemenfeldern so oft gezählt, wie ihm diese zugeordnet wurden. Insofern kann die Summierung der Fallzahlen in den einzelnen Unterthemenfeldern dazu führen, dass das Ergebnis höher ist, als die eigentliche Fallzahl im jeweiligen Phänomenbereich, da ein Fall unter Umständen mehrfach aufgeführt sein kann.
Das Unterthema „Geschlecht/sexuelle Identität“ wurde erst zum 1. Januar 2021 eingeführt. Mit Wirkung vom 1. Januar 2022 wurde das Unterthema „Geschlecht/sexuelle Identität“ u. a. durch das Unterthema „geschlechtsbezogene Diversität“ ersetzt, um noch trennschärfere Auswertungen zu ermöglichen.
Mit Stand vom 24. Mai 2024 konnten für das laufende Jahr noch nicht alle bekannt gewordenen Fälle im Rahmen des KPMD-PMK erfasst werden. Daher ist davon auszugehen, dass die aufgeführten Fallzahlen für 2024 nicht das gesamte Fallaufkommen darstellen, welches sich im angefragten Zeitraum ereignete.
Die erbetenen Daten sind der folgenden Tabelle zu entnehmen:
Fallaufkommen der PMK im Bezirk Spandau für die Unterthemenfelder „Geschlecht/sexuelle Identität“, „geschlechtsbezogene Diversität“ und/oder „Sexuelle Orientierung“
Deliktsart | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | 2024* |
Gewaltdelikte | 1 | 7 | 3 | 5 | 8 | 1 |
Propagandadelikte | 0 | 1 | 1 | 0 | 1 | 0 |
sonstige Delikte | 10 | 20 | 8 | 9 | 11 | 4 |
gesamt | 11 | 28 | 12 | 14 | 20 | 5 |
Terrorismusdelikte im Sinne der Fragestellung wurden mit Stand vom 23. Mai 2024 nicht erfasst.
2. Welche Maßnahmen zur Prävention von queerfeindlichen Straftaten sind seit 2019 in Spandau ergriffen worden bzw. zukünftig geplant?
Das Bezirksamt Spandau teilt hierzu Folgendes mit:
„Es wird seit dem Jahr 2023 der Präventionsreport Spandau erstellt, der eine sozialräumlich differenzierte Darstellung von Gewaltvorfällen umfasst. Für die Fortschreibung 2024 ist eine bezirksspezifische Darstellung LSBTI-feindlicher Straf- und Gewalttaten vorgesehen, um diesen Phänomenbereich in der Tätigkeit der Spandauer Arbeitsstelle Gewaltprävention evidenz- sowie datenbasiert berücksichtigen zu können und Aufmerksamkeit im Bezirk zu schaffen.“
3. Welche neuen bzw künftigen bzw. Unterstützungsangebote gibt es für queere Menschen in Spandau seit 2019 bis 2024? (Aufschlüsselung nach Trägern, Vereinen und Einrichtungen des Landes- und Bezirks)
Das Bezirksamt Spandau teilt hierzu Folgendes mit:
„Es wurde „Connecting queer – queere Jugendförderung Spandau“ installiert, ein Projekt zur bedarfsgerechten Ermittlung und nachhaltigen Implementierung queerer Angebotsstrukturen in der Jugendförderung Spandaus. Diese erfolgt unter aktiver Beteiligung queerer junger Menschen und ihrer Unterstützer*innen im Bezirk. Das Projekt dient darüber hinaus auch Fachkräften mit Fragen zu Lebensrealitäten queerer junger Menschen als Anlaufstelle.“
4. Welche Unterstützungsangebote sind für queere Menschen in Spandau gepant oder/und auf den Weg gebracht?
Für den Bezirk Spandau gibt es auf den Polizeiabschnitten 21, 22 und 23 insgesamt zehn Dienstkräfte, die besonders im Umgang mit LSBTIQ sensibilisiert sind. Diese können bei Bedarf bei der Anzeigenaufnahme queerfeindlicher Straftaten unterstützend hinzugezogen werden. Die bewusste Hinzuziehung dient der Schaffung einer Vertrauensbasis bei Geschädigten von Hasskriminalität. Hierbei werden den Geschädigten ggf. Unterstützungsangebote unterbreitet und sie werden auf Angebote von LSBTIQ- Fachberatungsstellen hingewiesen.
Das Bezirksamt Spandau teilt hierzu Folgendes mit:
„Der Bezirk Spandau prüft die Einsetzung einer Ansprechperson, die sich für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt einsetzt.“